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Romanische Quaderkirchen in Nordjütland

Einführender Hinweis:
Der gängige Begriff "Granitquaderkirche" ist irreführend und wird hier deshalb vermieden, denn nur etwa ein Viertel der in einer mittelalterlichen Findlingskirche verbauten Feldsteine, ob gequadert oder nicht, sind tatsächlich Granite  -  im gesteinskundlichen (petrographischen) Sinne. Die Bezeichnung "Granit" wird gemeinhin summa summarum für sämtliche körnigen, kristallinen Gesteine verwendet. Neben Graniten finden wir in den Kirchenmauern aber auch andere Tiefen-gesteine, vielfach Gneise, daneben auch Sandstein, Kalkstein, Quarzite ...  
 
Die Verbreitung des Christentums in Dänemark ab der 2. Hälfte des 10. Jh. brachte neben neuen sakralen Bildmotiven (beispielsweise in Runensteinen) den romanischen Kirchenbau ins Land, zunächst mit Schwerpunkten um den alten Handelsort und späteren Bischofssitz Ribe (Südjütland) und die beiden anderen christlichen Hauptorte: Roskilde (Sjælland) und Aarhus (Nordjütland). Aber auch um den Limfjord, insbesondere auf Mors und auf Salling, wurden sehr viele Kirchen errichtet.
 
Da der neue Glaube vom König (von Harald Blauzahn an) und seinen Gefolgsleuten übernommen und befördert wurde, entstan-den viele der heute ländlich abseits liegenden Kirchen nicht nur in damaligen Verwaltungszentren, sondern auch im Kontext von Herrenhöfen. Der führenden Schicht war es möglich und ein Anliegen, auf ihren Herrensitzen mit gediegenen Kirchenbauten auf diese Weise ein bekennendes Zeichen zu setzen, sichtbar den (christlichen) Fortschritt zu vertreten.
Die ersten Kirchen waren zwar oftmals Holzbauten, vermutlich Stabkirchen, sie wurden jedoch wegen vieler Brandereignisse bald durch Steinkirchen ersetzt.

                                        Quaderkirche in Sahl (um 1150),
                                        sie war einst Hauptkirche der Ginding Harde.
 
 
 
Aus der Zeit ab ca. 1100 datiert eine große Zahl von wehrhaften und zugleich sehr ansehnlichen Feldstein-Quaderkirchen. Von Anfang an wurde die aufwen-dige Bauweise mit sorgfältig behauenen Steinquadern bevorzugt  - anders als in vielen ländlichen Regionen im norddeutschen Raum, wo frühe romanische Kirchen vor allem aus nicht oder wenig bearbeiteten Lesesteinen errichtet wurden (Feldsteinkirchen). Es mag aber auch die Verfügbarkeit an ausreichend großen bearbeitungsfähigen Geschieben im Lande eine Rolle gespielt haben. Darüberhinaus gibt es Hinweise, dass im jütischen Raum in späterer Zeit Steinbruchware aus Westschweden in Anwendung kam (Bohus-Granit). (Meyer 2010)

Quadermauerwerk an der Kirche zu Åsted

 
 
 
Einige wenige Beispiele:
  Die Kirche von Åsted, Nordsalling (südlich von Fur) wurde als schlichte turmlose Saalkirche in solider Quaderbauweise in der ersten Hälfte des 12. Jh. errichtet. Sie war Hauskirche des mittelalterlichen Herrenhofes Østergaard (https://middelalderborgen-oestergaard.dk/).
Im 15. Jh. wurden der Turm und die Vorhalle (Ziegelmauerwerk über Feld-steinquadersockel) hinzugefügt und im 16. Jh. zwei Querbauten: eine geräumige Vorhalle auf der Südseite (2. Bild unten) und eine Grabkapelle mit gestaffeltem Giebel auf der Nordseite (siehe Gesamtbild links).  
 Feldsteinquader des Chores 

Mischbauweise (Ziegel über Feldsteinquadern) am jüngeren Querbau, Südseite  im 17.Jh. eingefügte große Fenster
die bunte Vielfalt der überwiegend westschwedischen kristallinen Geschiebe (mit nur 2 Graniten!)
 
 
  Die ursprünglich romanische Kirche von Kollerup (bei Fjerritslev)wurde in der Spätgotik kräftig überbaut. Davon zeugen der West-Turm, der Chor und der Langhausausbau mit einem Kreuzgratgewöl-be. Der auf dem Bild zu sehende Vorbau (Südseite) stammt aus dem 16. Jh. (gestaffelter Giebel), ebenso eine Kapelle an der Nordseite.

Der Blick auf den Chor (unten 1. Bild) gibt das prachtvolle Quader-mauerwerk wieder. Im Bereich des gotisch ergänzten Chores wurde auf einem Feldsteinsockel aufgebaut, mit großen Quadern im unteren Bereich und kleineren in der Höhe. Die Mauer des alten Teils fußt auf einem Quadersockel mit abgeschrägter Fase.
 Das Gesteinssortiment des Chores (und somit seine einheitlich rötliche Optik)
 entspricht nicht der sonst üblichen Buntheit eines Feldsteinmauerwerks (siehe
 Kirche zu
Åsted). Die Quadermauer enthält einen hohen Anteil an feinkörni-
 gem Bohus-Granit  -  mutmaßlich Steinbruchware aus Westschweden.
     Langhaus und Chor mit Kreuzgrat-
     gewölbe.
Viele der Kirchen haben noch ihr altes, romanisches Granit-Taufbecken
 
 
  Die Kirche von Smollerup bei Mønsted wurde Anfang des 12. Jh. errichtet und in gotischer Zeit durch den Turm und eine Vorhalle auf der Südseite ergänzt.
Die Kirche von Smollerup gehörte einst wie das Herrenhaus Smollerupgård dem Viborger Domkapitel an. Das Herrenhaus ist nicht mehr vorhanden.
In der Kirche zu Smollerup befindet sich die älteste Glocke Dänemarks.
siehe auch die Infotafel an der Kirche
Der Variantenreichtum der Quadergesteine in den Kirchenwänden lädt zu Studien ein: was hat sich hier an Gesteins-arten versammelt, sind "Leitgeschiebe" darunter? Bestimmbare Leitgeschiebe sind in der Tat häufig Granite.
Beispiele:
Lardalit, Typ Gjone,
LG Oslo-Gebiet, N
Kristinehamn-Granit,
LG Värmland, S
Bohuslän-Granit,
LG Westschweden
Larvikit, LG südwestl.
Oslo-Gebiet
unbestimmter,
deformierter Granit
 
Anders als der vergleichsweise leicht zu bearbeitende Sand- oder Kalkstein bedeuteten kristalline Findlingsgesteine wie Granit & Co. eine große Herausforderung an Kraft, Geschicklichkeit und Erfahrung der Steinmetze. In romanischer Zeit wurde die Verwendung des Flächenbeils ("Fläche") mit einer etwa 10 cm breiten Schneide entwickelt - ein schweres Werkzeug mit Eschenstiel und geschmiedetem Kopf. Damit konnte, in wechselnder Richtung vorgegangen, die Quader-fläche geglättet werden  -  nachdem mit Schlegel und Meißel vorgearbeitet worden war. Die Maße der zu verbauenden  Quader waren nicht festgelegt (siehe z. B. Detailbilder der Kirche zu Åsted), sie richteten sich nach den Anforderungen des Baus und nach dem vorhandenen Findlingsmaterial.
 
In der Anfangszeit der Christianisierung wurde der Bau neuer Kirchen von den jeweils missionierenden Klöstern aus durchgeführt. Später entstanden Klosterbaubruderschaften, Gruppen von baukundigen Mönchen und ausgebildeten Laienbrüdern, die von Kirchenbau-Ort zu Kirchenbau-Ort reisten. So kam es dazu, dass auch Motive, Stilmerkmale oder dekorative Elemente am Bau regional oder überregional "auf Wanderschaft" gingen und weitere Verbreitung fanden.
 
  Ein interessantes und zugleich rätselhaftes Beispiel dafür sind die Schachbrettsteine in den nordjütischen romanischen Kirchen.

Sie sind ein von den Steinmetzen an ihren Arbeitsstätten hinterlassenes Bildmotiv  -  nicht nur in Nordjütland, sondern auch in Ostdeutschland und Westpolen. B. Dittmar(*) gibt eine umfassende Überschau des bekannten Bestandes. In Dänemark sind es rund 50 Kirchen, in einem breiten Streifen zwischen Thy und Aarhus. Dabei tritt ein solcher Stein in der jeweiligen Kirche meist nur einmal auf, an einer beliebig anmutenden Stelle, häufig im Eingangsbereich. Es ist also kein schmückendes Element, sondern es hat allein durch sein einmaliges Dasein eine besondere Aussagekraft.
Die Kirchenbaukunst wurde im Zuge der Christianisierung aus dem deutschen Raum in den dänischen Norden gebracht  -  es gibt jedoch keinen Hinweis darauf, dass das Schachbrettmotiv damals bereits mitgebracht wurde. Es scheint eine original nordjütische Bild-Botschaft des 12. Jh. zu sein  -  die dann im 13. Jh. auch im Osten (vermutlich durch dort tätige jütländische Baumeister) auftritt. Was will dieses Schachbrett uns sagen? Da keine schriftlichen Hinweise aus der Entstehungszeit bekannt sind, bleiben Fragen.
Dass die Steinmetze mit diesem   -  mittels zweierlei Bearbeitungstechniken der Oberfläche gestalteten  -  Stein ein Zeichen ihrer Kunst, ein Markenzeichen, ein Sigel setzten (wie als Vermutung geäußert)... möglich. Aber eher von späterer Denkweise aus zurück gedacht. Angesichts der nicht rational abstrakten, sondern noch stark mythologisch-religiösen Weltsicht und Gemütslage des frühen Mittelalters scheint mir (die uns heute wiederum eher fremd anmuten-de) Deutung des "eingemauerten Schachspiels des Teufels" ausgesprochen plausibel. Zitat aus Dittmar (s. u.): "Eine Deutung des Schachbrettmusters ist die des eingemauerten Schachspiels des Teufels, einer in Dänemark bekannten Sage. Der Teufel spielte mit Gott um den Kirchenbau oder um die armen Seelen und verlor die Partie und das Brett. Zum Gedenken an den glücklichen Ausgang des Spieles hat man das Schachbrett eingemauert. Somit kann der Schachbrettstein für die Gläubigen eine Schutz- und Abwehrfunktion gehabt haben."
Zwei Beispiele der zahlreichen dänischen Kirchen mit Schachbrettsteinen:
Grønning

Auch die Grønninger Kirche entstand im 12.Jh. als kleiner Saalbau mit Chor und Apsis (letztere ist hier erhalten geblieben) und - wie regional üblich - in Quaderbauweise über einem abgeschrägten Sockel. In gotischer Zeit wurden Westturm und südliche Vorhalle angebaut. Dadurch befindet sich seitdem das mit Säulen und Tympanon geschmückte, ursprüngliche Eingangsportal in dieser Vorhalle. Das Tympanonrelief zeigt ein löwenartiges Tier (3. Bild unten).
In der Wandecke links vom Portal befindet sich der Schachbrettstein (2. Bild).

                  Bild rechts aus Wikipedia: Hideko Bondesen - http://www.nordenskirker.dk/
 
 
 
Sahl
  Die Kirche von Sahl (Viborg Kommune) stammt von der Mitte des 12. Jh. Wie üblich existierte ursprüng-lich nur das balkengedeckte Langhaus und der Chor. Erst im 19. Jh. kam der Ziegelbau der Vorhalle hinzu. Die Kirche hat kein Westturm - dafür einen Dach-reiter, der die Glocke beherbergt. So ist das schöne Gebäude seinem historischen Erscheinungsbild nahe geblieben. Auch die Fenster wurden nicht durch größere ersetzt - wie es sonst für mehr Raumhelle spätestens ab dem 16. Jh. gerne geschah.
Die Kirche war dem Rittergut zu Ormstrup zugehörig.
sehr sorgsam gearbeitete Quader

Der Schachbrettstein in der Südwand der Kirche
    Die Helligkeitsunterschiede im Stein ent-
    standen während der Oberflächenbearbei-
    tung (stocken)
und schufen frische neben
    alten Oberflächen.
 
 
Literatur:
Meyer, K-D. 2010: Bohuslän-Granit in romanischen Quaderkirchen Nordjütlands. Archiv für Geschiebekunde 5
Noe-Nygaard A. 1985: Kirkekvader og kløvet kamp - en verden af sten. Geografisk Tidsskrift, Bind 85 (1985)
Links:
https://danmarkshistorien.lex.dk/Kirkebyggeriet
(*)  http://www.schachbrettsteine.de/index.php (Homepage von B. Dittmar)
https://de.chessbase.com/post/schach-mit-tod-und-teufel
   
   
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