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Stevns Klint auf Sjælland

Stevns Klint ist ein etwa 16 km langes, gut 40 m hohes Kalksteinkliff an der Südost-küste von Sjælland.
Auf Grund der vorliegenden Schichtung  -  weicher Kreidekalk unter härterem Bryo-zoenkalk  -  sorgt die Abrasion dafür, dass ein leicht überhängendes Profil entsteht und sich kaum Strand ausbilden kann.
So steigt die weiße Felsformation ziemlich unvermittelt aus dem Meer auf  -  in ihrer ganzen Länge. Ein nahezu mediterran anmutender Anblick  -  allerdings als Panorama nur vom Boot aus zu erleben.
Bei der alten, bereits teilweise abgestürzten Kirche von Højerup wurde mittels einer Treppe eine Abstiegsmöglichkeit geschaffen. Sie wird gerne genutzt, denn aus dem niederbrechenden Kreidegestein können Fossilien gefunden werden  -  Belemniten, Seeigel, Muscheln... 
Auch Geologen suchten zu wissenschaftlichen Zwecken den Zugang zum Kliffgestein -  und wurden in besonderer Hinsicht fündig...
 
       
Die untere Schicht des Kliffs   -  Schreibkreide (Maastrichtium, 72 - 66 Mio. Jahre)  -  wird durch eine dünne, aber höchst bemerkenswerte Lage aus einem dunklen Ton von dem darüber liegenden frühtertiären Bryozoenkalk (Danium, 66 - 61 Mio. Jahre) getrennt. Dieser Ton war als "fiskeleret (Fischton) wegen enthaltener Fisch-Fossilien zwar schon beschrieben, hatte darüber hinaus aber kaum Bedeutung gehabt.
Das änderte sich, als im Jahr 1980 amerikanische Wissenschaftler anhand von Gesteinsanalysen an zwei Orten der Erde (in Gubbio, Italien und am Stevns Klint) eine unerklärlich stark erhöhte Konzentration von Iridium nachweisen konn-ten. Iridium ist ein auf der Erde äußerst seltenes, im Weltraumstaub und in Asteroiden bzw. Meteoriten jedoch in hohen Anteilen auftretendes Edelmetall. Die Konzentration in Gubbio war 30mal höher als für die Erde normal, im Fischton von Stevns Klint sogar 160mal. Die betreffenden Gesteinsschichten (desgleichen entsprechende, später an anderen Fund-orten untersuchte) gehören derselben Entstehungszeit an - vor etwa 66 Mio. Jahren. Auf Grund dieser sehr ungewöhn-lichen Iridium-Anomalie wurde die These eines einmaligen großen, kosmischen Ereignisses, eines gewaltigen Asteroiden-Einschlags formuliert, der seine extraterristrische Fracht damals weltweit verbreitete  -  mit global verheerenden Aus-wirkungen. Es wird dabei von einem Asteroiden mit einem Durchmesser von 10 - 12 km ausgegangen.
"Der Staub verhinderte mehrere Jahre lang, dass das Sonnenlicht die Erdoberfläche erreichte. Dieser Lichtverlust unterdrückte die Fotosynthese und als Konsequenz kollabierten die meisten Nahrungsketten und ein Massenaussterben folgte." (Alvarez et al. 1980) Das schlagartige Verschwinden der Dinosaurier sowie unzähliger anderer Tier- und Pflan-zenarten in diesem klar definierbaren Zeitraum zwischen Oberkreide und Danium hatte so seine Erklärung.
1991 folgte die Entdeckung des Chicxulub-Kraters im Norden der Halbinsel Yucatán im Golf von Mexiko (Durchmesser ca. 180 km). Die Anerkennung dieses Impaktes als "Global Killer" und seines Niederschlags in den bekannten Iridium-reichen Grenzschichten war in der wissenschaftlichen Diskussion zunächst kein Selbstläufer. Inzwischen haben jedoch sehr viele weitere detaillierte Untersuchungen die damaligen Annahmen bestätigt. Eine ganze Reihe physikalischer, chemischer, geologischer und biologisch-ökologischer Aspekte des ausgelösten "Impaktwinters" wurden erkannt und beschrieben.
     
 



Auf Grund der Bedeutung von Stevns Klint für diese Erkenntnisse wurde das Kliff 2014 in die Liste der Welterbe-Stätten aufgenommen.


               
         Die dünne Grenzschicht aus Fischton, nur 5 - max. 10 cm breit
 
 
 
Ein Blick über den Klippenrand gibt zu erkennen, dass der Kreidefels sich unter der Wasseroberfläche fortsetzt  -  nah am Ufer noch dicht unter der Ober-fläche. (Um Helgoland herum können wir eine solche Schorre-Situation im dortigen Felswatt direkt erleben und bei Ebbe teilweise betreten.) Wo sich am Stevns Klint ein schmaler Strandsaum temporär auf der felsigen Schorre unter dem Überhang halten kann, ist es zumeist ein grauschwarzer Feuerstein-Geröllstrand. Die niederbrechenden Kalksteine halten dem Wasser nicht lange stand. Bei starkem Wellenschlag kann das Wasser am Kliff milchig trüb von ausgeschlemmter Kreide werden.   
 
Im ehemaligen Steinbruch von Boesdal kann der Bryozoenkalk etwas genauer betrachtet werden. Auch hier fällt die wellige, von Feuersteinschichten nachgezeichnete Lagerung auf  -  wie am Bulbjerg. Sie gibt den hügelförmigen Bau der Moostierchen-Kolonien am Meeresboden wieder.
 
 
Das im Kreide- und Danienkalk derart verbundene Auftreten von Kalkstein und Feuerstein ist eine auffällige Besonderheit und ist hinsichtlich seiner Genese immer noch mit Fragen verbunden  - wie allerdings, das müssen wir zugeben, alle materielle Existenz in ihren vielfältigen Erscheinungsformen.

Kalk und Kieselsäure sind zwei sehr unterschiedliche mineralische Substanzen.
Kalk ist unverzichtbar verbunden mit der Entstehung des tierischen und nachfolgend auch menschlichen Körpers. In seinem erdgeschichtlich frühen Erscheinen tritt er auf in Form von Kalkschalen von Mikroorganismen, von Mehrzellern, Mollusken u. a. Die weitergehende Evolution benötigte ihn dann zum Aufbau des Innenskelettes und der Zähne  -  so auch für uns Menschen. Der Kalk hat somit tragende, stützende, schützende Funktionen. Kalkstein entstand als Ablagerungsgestein aus den Schalenresten der genannten Tiere  -  innerhalb einer einst lebensvolleren Erde in gewaltigen Massevolumen.
Kalkstein ist von unterschiedlicher Dichte und Härte  - aber insgesamt aufgrund seines biogenen Ursprungs nicht verwitterungsrobust. Die weiche, poröse Kreide ist das weichste Gestein, das wir kennen.
Kieselsäure ist weniger sichtbar, spielt aber in sehr vielen Lebensfunktionen - in pflanzlichen, tierischen, menschlichen Organismen - als Spurenelement eine essentielle Rolle. Ebenso vielfältig, sogar von regulativer Bedeutung findet sich die Kieselsäure in der Gesteinswelt, d. h. deren Einteilung erfolgt entsprechend dem Kieselsäuregehalt. In den  magmatischen Gesteinen ist die Kieselsäure sowohl "verborgen" in vielerlei Silikaten als auch offenkundig in Form von reinem Quarz (SiO2) enthalten. Im Vorgang der Verkieselung (Verquarzung oder Silifizierung) dringt die Kieselsäure in vorhandene Gesteine oder abgestorbene biogene Körper ein und ersetzen vorhandene Substanzen.
Als mineralische Substanz bzw. als Gestein ist Quarz/Quarzit splittrig hart. Ursprünglich klar durchsichtig (Bergkristall) ist er offen für die Einlagerung feinster farbgebender Minerale und kann dadurch alle Farbnuancen annehmen.

In den schwarzen Feuersteinlagen im weißen Kreidekalk tritt das nahezu Härteste und Dunkelste unserer Gesteinswelt vergesellschaftet mit dem Hellsten und Weichsten auf. Oft wird gefragt: warum so? 
 
  Der Feuerstein ist wie der Kalk organischen Ursprungs, das belegen Relikte von Kieselalgen und Kieselschwämmen in ihm. Ein frühes Stadium seiner Entstehung waren gelartige, wabernde Kieselsäure-Schichten im Kalkmeer - wässrig-weiche Kieselsäureanreicherungen, die wir so heute nicht mehr kennen. Es ist davon auszugehen, dass damals auch eine umfangreiche Verkieselung vorhandener Kalksubstanz stattfand.
Während der folgenden Diagenese (Gesteinsverfestigung) wurde das enthaltene Wasser nach und nach abgegeben - es entstand ein amorpher Opal. Bänderun-gen und wolkige Einschlüsse, wie auch der unregelmäßig knollenartige Rand der Feuersteinschicht deuten unterschiedliche Grade der Verkieselung des Kalkes
an.
Im Bild erkennbar: eine dünne silifizierte Kalkschicht umgibt gleich einer Rinde den Feuerstein.
     
  Der im Feuerstein verfestigte Quarz ist nicht kristallin, sondern eine Chalcedon-Variante, feinfaserig ausgebildet  -  was allerdings dem bloßen Auge nicht erkennbar ist. Gelegentlich kann man bläulichen Chalcedon als Belag oder Schliere im Feuerstein antreffen.
So intensiv blau wie hier im eh. Steinbruch Boesdal allerdings selten. Der blaue Farbeindruck entsteht nicht durch mineralische Beimengungen sondern durch Lichtbrechung an den Fasern. 
 
 


Die Kalkgesteine der Kreide-Zeit
und des Daniums schließen - in der nebenstehenden Darstellung des Präquartären Untergrunds - an den präkambrischen Gebirgsgrund des baltischen Schilds an. Unter den eiszeitlichen Ablagerungen bilden sie ein breites Band von Nordwesten nach Südosten.
In Hellgrün wiedergegeben: das Danium. Gekennzeichnet ist die Lokalität des Stevns Klint.

 
bearbeitete, vereinfachte Skizze nach Angaben in GEUS:
Bedrock geology of Denmark
 
 
 
Literatur:
Surlyk F. et al. 2006: Stevns Klint, Denmark: Uppermost Maastrichian chalk, Cretaceous-tertiary boundary, and lower Danian bryozoan mound complex. DGF, ISSN 0011-6297.
Alvarez L. W. et al. 1980: Extraterrestrial cause for the Cretaceous-Tertiary Extinction. Science, Vol. 208, Nr. 4448
als PDF aufzurufen:
Damholt, T. u. Surlyk, F. 2012: Nomination of Stevns Klint for inclusion in the World Heritage List. KULTURARV / GEUS
geoviden - geologi og geografi nr. 03, 2014. Stevns Klint  -  ny dansk verdensarv.
Links:
https://www.spiegel.de/geschichte/mekkas-der-moderne-stevns-klint-a-946442.html
https://whc.unesco.org/en/list/1416 (Nominierung als Unesco-Welterbe)
https://www.scinexx.de/service/dossier_print_all.php?dossierID=91215 (Dossier im Wissensmagazin "scinexx" zum Massenaussterben am Ende der Kreidezeit, Iridium-Anomalie, Chicxulub-Krater...)
https://videnskab.dk/naturvidenskab/fisken-i-fiskeleret-et-gammelt-mysterium-optrevles (Details zum Fischton)
https://de.wikipedia.org/wiki/Chicxulub-Krater
https://idw-online.de/de/news763801 (Informationsdienst Wissenschaft Feb. 2021)
https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.abe3647 (Science Advances: "Globally distributed iridium layer preserved within the Chicxulub impact structure")
https://www.fr.de/wissen/asteroid-loeschte-dinosaurier-aus-direkt-nach-einschlag-geschah-studie-12990916.html 
   
   
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