Landschaft - Im Ostseeraum - Die Flensburger Förde
Flensburger Förde
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Kluesries
| Krusauer Tunneltal
| Kollunder Wald |
Meierwik |
Ochseninseln
| Holnis
Geltinger Birk | Geltinger Bucht | Habernis Kliff | Habernis Bucht und Moor |
1 Steilufer bei Wahrberg - 2 Höftland bei Bockholmwik - 3 Das Tal der Langballigau |
3 Das Tal der Langballigau |
Sein Ursprung |
Das Naturschutzgebiet des Langballigau-Tales mit seinem üppigen Pflanzenwuchs und vielfältigen Leben wird von vielen Menschen gern besucht und durchwandert. Es fällt dabei heute nicht leicht, sich den Ursprung dieses schönen Naturraumes in einer so gänzlich anderen, abweisend lebensfeindlichen Zeitepoche vorzustellen: der Eiszeit. |
Damals hatte über viele Jahrtausende hin der mächtige, arktische Eispanzer der Weichsel-Kaltzeit den Ostseeraum und große Teile der norddeutschen Küstenregionen unter sich begraben. In ihm und unter ihm hatte sich, den Tiefenlagen in der eisüberdeckten Landschaft folgend, ein Netz von Eistunneln ausgebildet, in denen viel - vor allem im Sommer sehr viel - Schmelzwasser strömte. Die Talanlage der unteren Langballigau geht auf einen solchen untereisischen ("subglazialen") Eistunnel zurück. Dabei gab es zwei sehr unterschiedliche Phasen. Während der Hauptzeit der Vereisung verlief über einen langen Zeitraum der Rand des Eises mittig auf der heutigen jütischen Halbinsel, von Nord nach Süd. Während dieser Zeit ergossen sich die anfallenden Schmelzwasser aus dem Eis in das eisfreie Vorland und flossen nach Westen ab. Die Meynau, die Treene, die Wellspanger Au und mit ihnen viele weitere Schmelz-wasserabflüsse bildeten sich damals aus. Als dann aber, vor etwa 20.000 Jahren, das Eis über Schleswig-Holstein abzutauen begann und der Eisrand sich immer mehr nach Osten verlagerte, erfolgte eine Entwässerungsumkehr, denn der Wasserdruck des Schmelzwassers reichte nicht mehr aus, um die aus den glazialen Ablagerungen aufgebauten hohen Endmoränen zu überwinden. Das Schmelzwasser, später auch das Niederschlags-wasser, floss zurück, ostwärts in die breiten, ebenfalls subglazial entstandenen Rinnen des in dieser Region damals noch trocken liegenden Ostseebodens - und über die Belte nach Norden ab. Dadurch bildeten sich nach und nach die Wassernetze all der Auen aus, die heute zur Förde hin entwässern - wie die Langballigau, die Ringsberger Au, die Siegumer Au, die Lippingau. Und es entstanden weitere kleine Erosionstäler. So "modellierte" das fließende Wasser das noch weitgehend ent-blößte, zunächst kaum von erster Tundrenvegetation geschützte und erst allmählich sich üppiger begrünende Land in seinem Sinne. Anschauliche Kartenskizzen zu den Stadien des Eis"rückgangs" sind mit erklärendem Text hier anzuschauen: https://geschichte-s-h.de/eiszeitland/ |
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Ein großer Wasserorganismus... |
Was wir mit unseren Augen sehen - und heute
meist weniger denn je sehen -, ist nur der kleinste Teil
dessen, was den Wasserorganismus eines Fluss- oder Bachgebietes
tatsächlich ausmacht. Sein weitaus größerer Teil sickert und
fließt im Boden oder steigt als Feuchte in den Luftraum auf.
Die Fließgewässer der Erde, von den kleinsten Auen bis hin zu mächtigen, kilometerbreiten Strömen, werden zu Recht respektvoll als Lebensadern der Landschaft bezeichnet, durchaus vergleichbar dem venösen Blutsystem von Mensch und Tier. Auen, Bäche, Flüsse schaffen im Zusammenwirken mit dem nicht sichtbaren, im Boden sickernden Wasser und der im Luftraum schwebenden oder niederregnenden Feuchte den Wasserorganismus einer Landschaft und sichern so ihren Lebenserhalt, ihre Fruchtbarkeit und Lebensfülle - wenn sie nicht daran gehindert oder durch einen fremden Chemismus und Verunreinigung überfordert werden. Sie regulieren lösend und reinigend den Bodenwasserhaushalt in ihrem Bereich, einen natürlichen, dem Lebensraum angepassten Stoffwechsel sichernd und schaffen eine gesunde Lebenswelt für Pflanze und Tier im ökologischen Umfeld. Selbst kleine Rinnsale, kleine Auen haben hier, Kapillaren gleich, eine unverzichtbare Funktion, deren Bedeutung im Interesse der Landnutzung über Jahrzehnte hin verkannt wurde - und auch heute gerne noch verkannt wird. Das alles gilt auch für die rund 14 km lange Langballigau. Das Netzwerk ihrer heutigen, kaum gewussten Auen bildet nur den oberirdischen, sichtbar fließenden Teil ihres Wasserorganismus ab. Es kann durch seine Ausdehnung durchaus überraschen, es umfasst ein weites Gebiet von der Förde bis Husbyries, Schwensby und bis nahe Quern - d. h. in einer langen Linie bis an die heutige Wasserscheide zur Nordsee hin. |
Das Netz der Auen |
Mehrere Quellbäche fügen sich, aus unterschiedlicher Richtung kommend, zur Langballigau zusammen (siehe Skizze oben). |
Ursprünglich hatten alle diese Quellbäche ihren Anfang in flächig vernässten Feuchtstellen. Aus solchen vom Wasser durchrieselten Sumpfstellen (Sickerquellen) bilden sich erste kleine Quellrinnsale, die sich dann, dem vorhandenen Gefälle folgend, zu einem Quellbach vereinigen können - sie sind die äußersten feinen Wasseradern eines Bach- oder Flusssystems. Für die intensive Landnutzung - insbesondere auf wasserstauenden Lehmböden wie in Angeln - ist eine solche permanente Bodendurchfeuchtung allerdings hinderlich und unerwünscht. Seit dem 19. Jh. zunehmend wurde durch Drainagemaßnahmen das Bodenwasser aus der Fläche gezogen und - je tiefer die Gräben gelegt wurden - auch der Grundwasserspiegel in der gesamten Fläche abgesenkt. Die Verbesserung der Bodennutzung durch Drai-nage mit nachfolgend intensivierter Landwirtschaft bedeutet allerdings einen gravierenden Eingriff in das naturgege-bene lokale Ökosystem. Sichtbar wird dies im Verlust der Biodiversität in der lokalen Flora und Fauna. |
Der längste der Quellbäche der Langballigau - somit die eigentliche Langballigau - kommt aus dem Gebiet um Schwensby und Wolfsbrück, nah der Wasserscheide zur Nordsee (jenseits bilden sich Löstrupau und Winderatter Au). In den landwirtschaftlichen Flächen ist die junge Langballigau fast 4 km lang verrohrt und wird anschließend als schmaler Graben geführt. Eine detaillierte Beschreibung siehe hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Langballigau_(Fluss) | |||
Bei Grundhof beginnt sie, eine leichte Talsenke
auszubilden (Bild links).
Ihr Weg nordwärts leitet sie nah an den Grundhofer Klärteichen
vorbei. Wenig später fließt ihr von Osten die Dolleruper Au zu,
die das Bodenwasser aus dem Gebiet zwischen Quern und Dollerup
abführt.
Bild Mitte: Die Dolleruper Au an der Grabstraße, rechts: an den Dolleruper Klärteichen. |
Am Dolleruper Ortsteil Terkelstoft beginnt das Naturschutzgebiet des Langballigau-Tales. Der Umgebung dort wurde ein großer Namen gegeben: Terkelstofter Schweiz. Eine Infotafel (Station 8 der "Historischen Wanderung"II) verweist auf die glaziale Entstehung der Landschaft und die daraus hervorgegangenen unterschiedlichen Naturräume. Der Anlass zu dem besonderen Lokalnamen findet darin allerdings keine Erklärung. Dieser obere Abschnitt des Langballigau-Tales kann von Wanderern nur weiträumig umgangen werden. Es gibt keinen Weg hinein oder hindurch. Befremdend wirkt der Anblick der zunächst schnurgerade als Graben geführten Au - in einem ausgewiesenen Naturschutzgebiet. Ein Blick auf die Karte zeigt, dass sich der Bach doch vermutlich im weiteren Verlauf sein Bett frei mäandrierend selbst gestalten kann. | ||
Die Langballigau
durchfließt nun den Ort Unewatt. Das kleine Dorf ist ein besuchenswertes (bewohntes) Museumsdorf.
https://unewatt.kultur-schleswig-flensburg.de/. Wanderungen
entlang des Langballigau-tals können hier beginnen.
Siehe Karte rechts oder
deutlicher noch im
PDF-Flyer, Nachdem wir an der Brücke Unewatter Straße die Au wieder sehen können, fließt sie die nächsten fast 2 km unbehelligt von Wanderern, von Feuchtzonen geschützt, in einem flachen Autal. Nur mit einigem Abstand können wir sie seitlich begleiten. |
Von dem Weg zum Klärwerk von Langballigau aus erkennen wir in der flachwelligen Grundmoränenlandschaft den Verlauf des Tales an seinem dichten bachbegleitenden Baumbestand. Ein Feldweg führt uns näher heran - und wir stehen vor einem der vielen Feuchtgebiete des Tales. Folgen wir dem Weg links um das Klärwerk, kommen wir unerwartet an den Steilhang eines anderen bewaldeten Tales - hier fließt ein weiterer Zufluss der Langballigau - die Grimbæk (in Langballig als "Schulau" geführt"). | |
Die Grimbæk ist der zweite
bedeutende Quellbach der Langballigau.
Sie kommt ebenfalls vom Westen her, etwas nördlicher als die Schwensbyer Au. Ihr Quellgebiet liegt in
dem landwirtschaftlich genutzten Gelände bei Husbyries,
ebenfalls nah nördlich der
Wasserscheide zur Nordsee (die dort dem Verlauf der Straße Snorrum zwischen
Husbyies und Lutzhöft folgt). Um der Flächennutzung willen wurde auch hier die Au (hier "Voldewraa-Au") auf ihrem ersten Kilometer weitgehend verrohrt und später - auf eine schmale Abflussrinne reduziert - ebenfalls als Entwässerungs-graben geführt. Eine detaillierte Beschreibung siehe hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Schulau_(Langballigau) |
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So zieht auch sie - mit Trapezprofil und steilen Böschungen - als eine schmale, tiefe Furche durch die Agrarlandschaft. |
Eine Infotafel (Route I, 27) weist auf die besondere Entstehung eines Tunneltals hin. Von hier führt uns ein weiterer Holzbohlensteg quer durch die sumpfigen Wiesen auf die andere Seite des Langballigau-Tals (Bilder eines Wintertags). |
Auf der anderen, östlichen Talseite verläuft der Wanderweg weiterhin nicht auf der durchnässten, meist mit Bruchwald bestockten Talsohle, sondern etwas höher am steilen Hang (1. Bild rechts). Die Au selbst und ihren gewundenen Lauf bekommt man nun im dichten Bewuchs kaum mehr zu Gesicht. Eine hier unerwartete, steil nach oben führende Treppe (2. Bild rechts) würde uns zu einer Lokalität mit dem unübersetzbaren Namen "Knös" führen, einem einsam gelegenen Gehöft. Das Anwesen liegt auf einem schmalen Sporn zwischen dem Tal der Langballigau und dem parallel verlaufenden Tal der kleinen Schiebek. Zu letzterer siehe unten. Wir folgen aber zunächst dem Wanderweg im Langballigau-Tal. Er führt uns durch den schönen, hochstämmigen Buchenwald, der die steilen Hänge bedeckt. Die winter-liche Offenheit der Natur erlaubt Einblicke ins Tal, die im Sommer so nicht möglich wären. |
Dann, überraschend, öffnet sich das Tal und der Blick reicht in die Ferne zu einem kleinen Fleck blauer Förde. Die Karte auf dem Flyer zeigt uns, wo wir sind: an dem "i-Punkt", wo der oben erwähnte Geländesporn sich zum Tal absenkt (siehe Hang mit Info-Stand, 2. Bild, unten rechts). Das weitläufige Auslaufen dieses doch recht markanten Sporns schuf eine leichte, flächige Geländeerhöhung. Sie zwang die Langballigau, ganz zur Westseite des Tales auszuweichen und die kleine, von jenseits des Sporns kommende Schiebek wiederum wird im Osten des Talraums gehalten. So kann hier in der Talmitte eine weniger nasse Fläche zur extensiven Beweidung genutzt werden. Und für den Wanderweg wurde hier wieder eine der vier das Tal untergliedernden Querungen möglich. | ||
Ein kurzer Abstecher in das Tal der Schiebek auf der Ostseite des Geländesporns... |
An klaren Tagen durchzieht sie als schmales, blau schimmerndes Band den Waldboden - im Sommer sicher meist unter Gesträuch und Hochstauden verborgen. Etwa auf Höhe des Knös-Hofes wurde vor Jahren eine Querung mit Brücke zu Höfen an der Haffstraße geschaffen (Bild rechts), die nun aber recht verwaist erscheint. Dem Wanderweg im Schiebektal weiterfolgend würden wir auf die Höhe des Moränenlandes östlich des Langballigautals gelangen und durch die Feldflur zurück nach Unewatt kommen. | |
Auch hier gewährt der Weg Blicke in den Talgrund, zu den ersten Frühblühern oder den überwinternden imposanten Riesenseggen. |
Im Mündungsgebiet hatte sich postglazial - und verstärkt nach der Flutung der Förde - eine Schwemmlandebene gebildet, die sich im Lauf der Zeit (auf Grund des küstenparallelen Sandtransports bei steigendem Meeresspiegel) durch die Ausbildung eines vorgelagerten Höftlandes mit Strandwallbildung noch vergrößerte. | |||
Wie ein
wikingerzeitliches Gräberfeld belegt, fand hier schon früh
Besiedelung statt
(DigitalerAtlasNord-Archäologie-Atlas
SH). Im 20. Jh. wurde ein alter kleiner Fischereihafen ausgebaut. Einen starken Eingriff bedeutete etwas später der lokale Kiesabbau auf einem Teil des Höftlandes, zurück blieb die "Baggerkuhle" - als Strandsee (Bild unten links). Inzwischen wurde das Höftland mit Campingplätzen und Restaurants ein Tourismus-Hotspot. |
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Durch die als "salzwasserbeeinflusstes Grünland" beschriebenen
Wiesen des Mündungsgebietes führt der Wanderweg wiederum in
einer Talquerung, so den schönen Rundweg durch das Tal
abschließend. Die "Salzwasserbeeinflussung" weist darauf hin, dass dies eine Zone aktiver Begegnung ist. Der Begegnung zwischen Süß- und Salzwasser - aber das kann durchaus auch größere Ausmaße annehmen. Die vor allem windabhängige Höhe des Ostseewassers kann in ihrem Pulsieren starke Ausschläge verzeichnen - von extremem Niedrigwasser bis zur zerstörerischen Überflutung. Dazu kam es in dem Sturmhochwasser vom Oktober 2023. Bilder der Hochwasserschäden an den Steilufern hier. |
freundlich-normaler Wasserstand | extremes Niedrigwasser (1,70 unter NN) | ||
Das Tal der Langballigau besticht durch seinen
Strukturreichtum und seine ökologische Vielfalt. Es bietet zu
jeder Jah-reszeit und für jeden "Blickwinkel"
besondere Erlebnisse
und Entdeckungen. Spender dieser Geschenke an uns ist das Wasser - als Landschaftsgestalter und Lebensträger. Wir sind aufgefordert, es wertzuschätzen, seinen gesamten Organismus - von den unscheinbaren Sickerquellen bis zur Mündung ins Meer. Nur dann kann es auch uns in unseren Bedürfnissen langfristig dienen. |
Literatur: Gripp K. 1954: Die Entstehung der Landschaft Ostschleswigs vom Dänischen Wohld bis Alsen. Meyniana 2, 1954 Riedel W. 2014: 100 Jahre vergebliche Entwässerungsplanung an der Langballigau. In: Jahrbuch des Heimatvereins der Landschaft Angeln. 78. Jahrgang, 2014, S. 122–142. |
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Links: https://de.wikipedia.org/wiki/Tal_der_Langballigau http://www.umweltdaten.landsh.de/nuis/upool/gesamt/bis_faltblaetter/5917_langballigau.pdf https://de.wikipedia.org/wiki/Langballigau_(Fluss) https://de.wikipedia.org/wiki/Schulau_(Langballigau) |
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