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Berichte  -  Reisen

 

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Die Landschaft Thy in Nordjütland  -  Bilder junger und jüngster Erdgeschichte
 
Lodbjerg, aktives glaziales Kliff das fossile Littorina-Kliff, bei Vigsø Küstendünenkliff, Norre Vorupør Infocenter Thy
die Vangså bei Klitmøller Flugsandablagerungen im Kliffprofil ein weit gereister Stein Dünenheide, bei Stenbjerg
 Dünenwälder, Hvidbjerg Klitplantage Hundborgstenen Hügelgräber, Udby Hede Udby Hede
   
Nordjütland ist erdgeschichtlich gesehen eine sehr junge Landschaft. Das hat seinen Grund darin, dass der Norden der jütischen Halbinsel Teil des Dänisch-Norwegischen Senkungsbeckens ist. Hier war die Erdkruste in den letzten 250 Millionen Jahren (seit dem Perm-Zeitalter) in einer dauerhaften Absenkung begriffen. Gleichzeitig wurde durch Flüsse aus den umliegenden Hochgebieten kontinuierlich Sediment herangeführt und abgelagert  -  insgesamt eine bis 8 km mächtige Schicht verschiedener Gesteinsarten. Schließlich wurde durch die aus dem Norden mitgebrachte Geschiebe-fracht der großen Vereisungen die letzte weiträumige Überdeckung geschaffen  -  aus Gestein, Geschiebemergel und Sand.
 
 

Profilschnitt des Dänisch-Norwegischen Beckens.


Die Graphik wurde erstellt nach Angaben in Geologisk set. Det nordlige Jylland. Abb. 4

 
 
An wenigen Orten erscheinen Gesteine an der Erdoberfläche, die älter sind als die glazialen Ablagerungen. Bei diesen älteren Gesteinen handelt es sich um Schreibkreide (obere Kreide) und Bryozoenkalk (frühes Tertiär). Lokal wurden diese älteren Schichten durch die Salztektonik aus der Tiefe gehoben und mehr oder weniger exponiert  -  siehe z. B. Mønsted und Bulbjerg Klint.
Im Untergrund zwischen Hanstholm, Thisted und Klitmøller befindet sich ein umfangreiches Salzkissen, die Thisted-Struktur. Sie führte zur Aufwölbung des langgestreckten Rückens zwischen Hanstholm und Hjardemål und ermöglicht damit einige "Fenster" in die älteren Schichten (späte Kreide und frühes Tertiär). Geländeaufschlüsse zwischen Hanstholm und Hjardemål dokumentieren den Übergang von der Kreide zum Tertiär.  
   
Die Strände von Hanstholm, Klitmøller und Vigsö sind reich an Kalkgeröllen, ein klares Zeugnis des Kalkuntergrundes. Auch Fossilien-Sammler können fündig werden.
 
     Aphrocallistes
   
Nicht nur das Salz  -  auch die Schubkraft und Massebewegungen des Landeises bewirkten lokal das Exponieren präglazialer (tertiärer) Böden an die Oberfläche. Kleinere und größere Erdschollen wurden mitgeschleppt, aufgeschoben, steil gestellt oder sogar überkippt verlagert. An Steilküsten des Limfjords (div. Moler-Aufschlüsse aus dem Eozän) und der Nordsee (miozäner Glimmerton, Lodbjerg) zeigen sich beispielhafte, schöne Profile. 
Abgesehen von den extremen Klimaverhältnissen während der großen Vereisungen gab es im Verlauf der Erdgeschichte fortwährend  -  minimale bis gravierende -  Klimaveränderungen, die sich stets auch auf die Küstenverläufe auswirkten. Die Begegnungszone zwischen Landmasse und dem steigenden oder fallenden Meeresspiegel war und ist permanenter Dynamik ausgesetzt.
Nordjütland war dem nacheiszeitlichen Wechselspiel zwischen isostatischer Landhebung und dem aus dem Abschmelzen des Eises resultierenden Meeresspiegelanstieg in besonderer Weise ausgesetzt.
   
Zwei Faktoren gelten als Ursache für das rapide Ansteigen des Meeresspiegels um 4500 v. Chr.: Der klimabedingte Zerfall des nordamerikanisch-kanadischen Eisschildes und ein ebenfalls durch die spontan einsetzende Erwärmung bewirkter starker Schmelzwasserzustrom aus der Antarktis.
Dieser  - nach einer ihn im Ostseeraum charakterisierenden Muschelart als Littorina-Transgression benannte  -   Meeresspiegelanstieg führte mit einer bis zu 18 m höheren Meereshöhe (als zuvor) zu einem förmlichen "Ertrinken" weiter Küstengebiete im norddänischen Raum (und seiner Inseln) und verwandelte entsprechend höher gelegene Gebiete (wie Hanstholm und Bulbjerg) in Inseln. Viele der damals bereits bestehenden jungsteinzeitlichen Siedlungen wurden geflutet. Der dänische Name für das Littorina-Meer  -  "stenalderhavet"  -  deutet darauf. Eine Reihe von "fossilen Kliffs" belegt als prägnantes Landschaftselement die damaligen Küstenverläufe  - es sind die alten, heute bewachsenen Restformen der einstigen Steilufer, sie liegen oftmals einige Kilometer fern der heutigen Küste.
Denn die postglaziale Landhebung hat Nordjütland wieder aus den Fluten gehoben.
 
Die Meer-Land-Verteilung während der Littorina-Transgression
Vereinfachte Skizze der Littorina-Transgression
im gesamt-dänischen Raum.
Graphik und beigefügter Text aus https://naturenidanmark.lex.dk/Farvandenes_dannelse
 Abb. 2.8 "Dänemark vom Littorina-Meer umgeben in der Zeit von ca. 7000 bis 4000 Jahren BP. Die Kurven zeigen, um wie viele Meter Land und Meeresboden seitdem angestiegen sind, z. B. 4 m am roten Punkt am Mariager Fjord." (*¹)
Die Küstenlinien der Landschaft Thy während der maximalen Littorina-Transgression (fossilie Kliff-Verläufe)
und heute.
(Die Graphik wurde neu erstellt gemäß einer Darstellung im Museum Thisted.)
     
Das fossile Kliff bei Vigsø, ca. 6 km von der heutigen Küste entfernt.
 Das fossile Kliff bei Svinklovene, wo die Landhebung inzwischen ca. 6 m Höhe beträgt! Die buckligen Hügel dieses alten Kliffs entstanden durch Erosion. Sie bestehen aus Schreibkreide, die in dieser unregelmäßigen Weise durch die Auslösungsprozesse des Wassers geformt wurde. Das fossile Kliff am Ovesø.
Dieser nicht tiefe, lang gestreckte See ist das Relikt eines ins Land reichenden Meeresarms (dän. "Fjord") in der Littorina-Zeit.

 

 
Im Zuge der Landhebung fielen neue Strandflächen entlang Dänemarks Westküste trocken. Sie wurden zu einer Quelle einer Jahrhunderte währenden Plage und Sorge  -  des Sandfluges. Der stete, oft stürmische Wind trieb den offenen Strandsand bis weit ins Innere des Küstenlandes, sehr verstärkt während der "kleinen Eiszeit" (16.- 18. Jh.). Nicht nur landwirtschaftliche Flächen, auch Siedlungen fielen dem wandernden Sand zum Opfer. 1816 begannen die ersten Versuche, durch Anpflanzungen den Sandflug aufzuhalten. Das konnte im Nationalpark Thy nach und nach gelingen (anders als bei den großen Wanderdünen in Norddänemark, Råbjerg Mile und Rubjerg). Klitplantagen und Küstenheiden bedecken heute die einst offen liegenden Flugsanddünen von Thy.
In den Klitplantagen wurden in erster Linie Bergkiefern und Eichen eingesetzt, um eine solide Bewaldung zu bekommen. Heute kann sich der Wanderer in vielen dieser Anpflanzungen über eine malerisch abwechslungsreiche Vegetation freuen  -  Heidekraut, Rentiermoos, Strandgras... auf weißem Sand unter lichtem Wald.
  ...  
   
 
Weite Flächen von Thy sind von offenen, nicht bewaldeten Heiden, oft in Form von Dünenheiden bedeckt. Da es in ihnen auch Feuchtstellen, Moore und Seen gibt, ist die Natur vielgestaltig.
Weitere Infos z. B. unter
https://de.nationalparkthy.dk/erlebe-den-nationalpark/das-solltest-du-auch-sehen/tvorup-klitplantage
   
Die Abflüsse aus den Dünenseen bilden Bachläufe aus, die ihren Weg durch die Dünen bis ins Meer finden  - 
so beispielsweise die Bøgsted Rende aus Tvorup Hul und die Vangs Å aus einem trocken gelegten Nassgebiet bei Vangså. Wenn sie den offenen Strand erreichen, gestalten ihre Fließbewegungen im Sand rhythmische Strömungs-formen, Bewegungsmuster, die hier kontrastreich sichtbar werden, weil das Wasser durch Brauneisen (Ocker) gefärbt ist  -  allerdings aus einem durch menschliche Eingriffe verursachten Grund.

Das Wasser in Bøgsted Rende ist gelblich oder bräunlich und kann manchmal fast rot sein. Die Farbe entsteht durch Oxidation des Eisens, fast wie Rost. Ein Teil davon löst sich im Wasser auf, ein anderer Teil setzt sich als Ocker auf Felsen, Sand und Pflanzen ab.
Das Eisen stammt aus dem Mineral Pyrit, das natürlicherweise in wassergesättigten, sauerstoffarmen Böden vorkommt. Sinkt der Wasserspiegel im Boden, dringt Sauerstoff bis zum Pyrit vor, das Eisen wird freigesetzt und anschließend als Ocker im Bach ausgeschieden.
Die große Ockerkonzentration in Bøgsted Rende ist darauf zurückzuführen, dass Entwässerungskanäle und Gräben den Wasserspiegel in früher durch-nässten Böden gesenkt haben. Die Entwässerung war für die Anlage der neuen Plantagen notwendig, da die überwiegende Mehrheit der Bäume eine zu hohe Feuchtigkeit nicht verträgt.
Ocker ist zwar nicht giftig, zerstört jedoch die Lebensbedingungen von Fischen und Kleintieren. Es kann die Kiemen von Wassertieren bedecken. Und dichte Ockerschichten können auch verhindern, dass frisches und sauerstoffreiches Wasser zwischen den Steinen eindringt, wo viele Kleintiere des Baches leben und beispielsweise Forellen ihre Eier ablegen würden. Es befinden sich somit keine Fische im Bach. Zitat aus (*)

   
    Das "Delta" der Bøgsted Rende... und ihre Strömungsmuster im Sand.
   
Bei Vangså münden unweit voneinander zwei kleine Wasserläufe ins Meer. Der nördliche zeigt das Phänomen deutlicher als der südliche, er führt das Wasser aus dem landwirtschaftlich genutzten, trocken gelegten Nassgebiet ab.
   Die südliche Vangså Å   Die nördliche Vangså Å. Sie verteilt ihr ockerreiches Wasser weitflächig auf
 dem Strand
... bis das Meerwasser klärend darüber spült (Bilder unten Mitte).
  Das eisenreiche Wasser bringt immer neu rhythmisch strukturierte, graphisch faszinierende Strömungs-muster zur Erscheinung.
 
Nicht nur das Wasser, auch der Wind hinterlässt im feinen Flugsand seine Spuren. Er bringt dabei im Kliff-Aufschluss die Ablagerungsverhältnisse des Sandes zur Erscheinung. Durch das Ausblasen der lockeren, tonig-schluffigen Teilchen wird ein feinliniertes Relief sichtbar, das die äolischen Ablagerungsbewegungen des Windes nachzeichnet.
 
Bei Norre Vorupør beeindruckt das hohe Küstendünenkliff durch sein ausgeprägt wellenförmiges Relief. Das entsteht dadurch, dass die Dünen/Dünentäler über viele Kilometer parallel, aber quer zum Strand ausgebildet sind und so im Kliff in all ihren Querschnitten angeschnitten sind (siehe Luft- oder Satelittenaufnahmen, z. B. google earth). Dadurch erscheinen sie, so weit der Blick reicht, als lange Abfolge von Wellenbergen aus Sand. Aus der Nähe zeigt das vom Wind geschaffene Relief ihren inneren Aufbau.
 
Im Unterschied zu diesen äolischen Bildungen in den Flugsanddünen zeigt sich an anderen Lokalitäten, z. B. am Strand bei Klitmøller, die marine Ablagerung in Form von ungestört, eben gelagerten Feinkiesschichten. Entsprechend ist der Strand vor diesen Aufschlüssen meist reich an kleinen Geröllen.
  Die Strandgerölle
in Nordjütland sind zu einem großen Teil Glazialgeschiebe aus Norwegen, wie dieser Nordmarkit.
 
 
Das Nationalparkzentrum Thy in Norre Vorupør vermittelt in sehr ansprechender Weise reiche Informationen zur Küstenlandschaft von Thy, zu ihrer Entstehung, ihrer Ökologie und ihrer Bedeutung für den Menschen. Ein großes veranschaulichendes Landschaftsrelief, begleitendes Audio-Angebot, Stationen zum Mitmachen... ein Besuch lohnt sich.
Das Gleiche gilt für das Museum in Thisted: Neben hilfreichen Informationen zu den geologischen Gegebenheiten gibt es eine sehenswerte Abteilung zur Vor-und Frühgeschichte  -  und mehr zur Lokalgeschichte.
 
 
Links:
(*) https://de.nationalparkthy.dk/erlebe-den-nationalpark/das-solltest-du-auch-sehen/boegsted-rende
(*¹) aus: Naturen i Danmark – Havet, Gyldendal, 2006 (Grafik bearbeitet nach K. Aaris-Sørensen, 1988). Wiedergabe mit freundlicher Erlaubnis des Autors.